„Führen“ – und wie viel Verschiedenes man so nennen kann
von Josef Hofer
Führen ist für den einen nah am Etablieren einer Diktatur, für den anderen eine theoretische Weisheit aus einem Lehrbuch, für wieder andere ein ständiges Voranschreiten nach dem Prinzip Versuch-Irrtum. Was ist es für dich? Und – darf ich dir helfen, eine für dich passende Beschreibung deiner Tätigkeit des Führens zu finden?
„Führen“ teilt ein Schicksal mit so gut wie allen abstrakten Begriffen unserer Sprache: Jeder versteht etwas anderes darunter. Eine wahre Vielfalt an möglichen und unmöglichen Definitionen und Auffassungen verkompliziert uns unnötig das Leben und das Führen selbst. Kann ich nun sagen, Führen am besten von allen verstanden zu haben und es entsprechend definieren zu können, so als Begriff? Natürlich nicht. Aber meine Wahrheit dazu basiert für mich auf jahrzehntelanger Erfahrung und ich teile sie heute einfach mal mit dir.
Was „Führen“ schon mal nicht sein kann
Was jetzt kommt, ist kein schlecht erfundener Witz. Nein, mir wurde die folgende Definition des Führens in einem Seminar, das ich als Teilnehmer besuchte, tatsächlich angetragen. Pass auf: „Führen ist das Korrigieren von Fehlverhalten von Mitarbeitern auf ein klar vorgegebenes Ziel hin.“ Würden wir dieses Konzept leben, hätte wir nicht nur eine dem Arbeitsklima abträgliche Diktatur. Wir würden uns bei unserer Mitarbeiterführung rein auf die Fehler konzentrieren, die MitarbeiterInnen machen, und auf Zurechtweisung. Kann so Entwicklung stattfinden? Fördert das die Produktivität. Sicher nicht.
Führen nach Zahlen – ein Bingo-Spiel
Ein weit verbreiteter Klassiker in den Auffassungen über Mitarbeiterführung ist, dass Führen auf Zahlen zu basieren hat. Viel verkauft, gut geführt, wenig verkauft, schnell was ändern. Es ist ja nun nicht so, dass Zahlen für den Erfolg eines Unternehmens unwesentlich wären. Aber als Führungsgrundlage taugen sie nicht. Schon weil sie zu langsam daherkommen und nie die ganze, oft nicht mal die halbe Wahrheit abbilden.
Wenn wir Zahlen bekommen, liegen die Ursachen dafür, dass sie sind, wie sie sind, Wochen oder Monate zurück. Wir sind dann automatisch sehr spät dran, wenn wir Maßnahmen der Mitarbeiterführung anhand der Zahlen wählen. Zahlen sind zudem – und wenn sie noch so richtig errechnet wurden – ein Spielfeld von Möglichkeiten der Interpretation und Ursachenzuschreibung. Der alte Rat, keiner Statistik zu vertrauen, die wir nicht selbst gefälscht haben, hatte schon immer etwas für sich.
So probieren es manche auch: Mitarbeiter als Zirkustiere
Wenn wir nun gerade bei alten Sprüchen sind – es gibt im Führungsumfeld noch einen, der nicht totzukriegen ist. Er lautet: „Führen ist die richtige Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche.“ Nicht nur die Formulierung führt uns hier direkt zum Bild, dass unsere Mitarbeiter einer für nichts und niemanden artgerechten Dressur bedürften. Auch die Idee an sich krankt: Leben wir Führung nach dem Zuckerbrot-Peitsche-Modell, fokussieren wir uns darauf, unsere MitarbeiterInnen durch Lob und Tadel dahingehend zu manipulieren, dass sie Handlungen vollbringen, die sie sonst nie gesetzt hätten. Notieren wir uns: Mitarbeiter eigenen sich nicht als Tanzbären. Bären übrigens auch nicht, aber das ist ein anderes Thema.
Klar, kurzfristig ist es einfach, als Dompteur rasch Erfolge zu erzielen. Langfristig geht die Herangehensweise „Mitarbeiter klein machen, um sich selbst größer zu fühlen“ nie auf.
Jetzt zum Weg, den du mit Erfolg gehen kannst
Ich habe dir zu Beginn dieses Artikels ja versprochen, dir eine taugliche Herangehensweise und Definition des Führens anzubieten. Es ist die, die ich in meinem über viele Jahre gewachsenen Kosmos der Mitarbeiterführung als valide erkannt habe. Das ist sie:
Führung ist die Förderung und Entwicklung einer kollektiven Verantwortung gegenüber einem gemeinschaftlich definierten Ziel.
Was hier drinsteckt? Dass wir bei unseren MitarbeiterInnen in wertschätzender Weise die Identifikation mit dem Team, dem Unternehmen, mit unseren Zielen fördern – und die Übernahme von Verantwortung. Die Wertschätzung haben wir unseren MitarbeiterInnen, am besten aber allen Menschen, als Individuen entgegenzubringen. Wertschätzung darf nicht an Bedingungen, wie erbrachte Leistungen geknüpft sein, sonst ist sie nicht echt.
Auf dieser Grundlage kann eine Gesprächs- und Umgangskultur entstehen, in der jedes Teammitglied sein eigenes Potenzial erkennen, entwickeln und entfalten kann.
Das Schwierige an dieser Art der Führung ist, dass die Führungskraft dafür ein hohes Maß an Integrität und Eigenverantwortung in sich tragen und leben muss. Das kann man lernen. Wenn du möchtest, helfe ich dir dabei.